12.04.1973

„Neue Orientierung für ein altes Fach“ – die Fakultät für Geschichtswissenschaft

Mit einem umfangreichen Reformpaket und ausgesprochen gut gelaunt (siehe Zeitungsauschnitt) geht am 12. April 1973 die siebte Bielefelder Fakultät, die Fakultät für Geschichtswissenschaft, an den Start und an eine Neuorientierung der Geschichtswissenschaft insgesamt; aus Sicht der Studierenden übrigens bei paradiesischen Rahmenbedingungen, denn auf die 33 eingeschriebenen Studierenden wartet bereits ein umfangreiches Lehrangebot.

  • Prof. Dr. Jürgen Kocka, 1973 bis 1988 Professor für Allgemeine Geschichte unter besonderer Berücksichtigung der Sozialgeschichte.

    Fotograf: Manfred Kettner
    Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld
  • Prof. Dr. Reinhart Koselleck, 1973-1988 Professor für Theorie der Geschichte, zusammen mit Prof. Dr. Harald Weinrich bei einer gemeinsamen Sitzung von Gründungsausschuss und Wissenschaftlichem Beirat in Bielefeld am 27. Januar 1969.

    Fotograf: Günter Rudolf
    Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld
  • Prof. Dr. Hans-Ulrich Wehler, 1971-1996 Professor für Allgemeine Geschichte mit besonderer Berücksichtigung der Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, zusammen mit Prof. Dr. Dieter Grimm (links), Fakultät für Rechtswissenschaft, anlässlich der Bewilligung des SFB 177 „Neuzeitliches Bürgertum“ am 12. Februar 1985.

    Fotograf: Manfred Kettner
    Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld

„Bielefelder Schule“
Die Fakultät für Geschichtswissenschaft entwickelte sich auf der Basis von konsensfähigen Weichenstellungen der Gründungsphase bald zu einer der renommiertesten Geschichtsfakultäten Deutschlands. Die „Neuorientierung eines alten Fachs“ (Koselleck) im Rahmen der „Reformuniversität“ Bielefeld sah eine interdisziplinärere, theorie-, sozial- und wissenschaftsgeschichtlichere Geschichtswissenschaft vor. Man entwarf ein Konzept für die Geschichtswissenschaft als von theoretischer Reflexion begleiteter historischer Sozialwissenschaft. Die Überwindung der traditionellen Epocheneinteilung Antike-Mittelalter-Neuzeit zugunsten des Epochenmodells Vormoderne-Moderne oder Lehrstühle wie „Theorie der Geschichte“ oder „Sozialgeschichte“ waren Neuerungen, die bald unter dem Begriff „Bielefelder Schule“ bekannt wurden.

Einen wesentlichen Beitrag dazu leisteten hervorragende Forscherpersönlichkeiten der Planungs- und Aufbauphase wie Jürgen Kocka, Reinhart Koselleck, Hans-Ulrich Wehler und andere, die die neue Fakultät bald national wie international zu einem Aushängeschild der jungen Universität machten. Das Erscheinen des letzten Bandes von Hans-Ulrich Wehlers fünfbändiger Deutscher Gesellschaftsgeschichte (1987-2008), ein Standardwerk der deutschen Geschichtsschreibung, wurde sogar von Harald Schmidt ausführlich gewürdigt.

Harald Schmidt und Oliver Pocher erklären die „Bielefelder Schule“ und das „lange 20. Jahrhundert“ der deutschen Geschichte, 2009.

Quelle: Sat.1, 30.10.2008

Neuordnung der Fakultät

Im Zusammenhang mit der Integration der Abteilung Bielefeld der Pädagogischen Hochschule Westfalen-Lippe in die Universität Bielefeld am 1. April 1980 wurde eine Neuordnung und Neustrukturierung der Fakultäten notwendig. Das Ergebnis war u.a. die Auflösung der Drillingsfakultät Pädagogik, Philosophie und Psychologie und die Gründung einer neuen Fakultät mit den zwei Abteilungen Geschichtswissenschaft und Philosophie am 1. März 1980. Das Zusammenleben der großen Geschichtswissenschaft und der vergleichsweisen kleinen Philosophie wurde von Vertreterinnen und Vertretern der Fächer durchaus als „friedliches Nebeneinander“, nicht aber „fruchtbares Miteinander“ (Rüthing) bezeichnet.

Verheiratete und Gäste bei der Hochzeitsfeier der Geschichtswissenschaft und Philosophie im Mai 1980 (v.l.n.r.): Prof. Dr. Neithard Bulst (Dekan der neuen Fakultät), Prof. Dr. Friedrich Fulda, Prof. Dr. Reinhart Koselleck, Prof. Dr. Erich-Christian Schröder, Prof. Dr. Jürgen Kocka, Prof. Dr. Ulrich Wehler, Rektor Prof. Dr. Karl Peter Grotemeyer.

Fotograf: Seutter
Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld

Zum Wintersemester 2002/03 kam als dritte und kleinste Abteilung die (evangelische) Theologie hinzu.

Erfolg
Die Fakultät und hier besonders die Geschichtswissenschaft genießt auch nach einem Generationenwechsel weiterhin hohes Ansehen, was unter anderem durch mehrere SFB-Bewilligungen belegt wird: etwa der SFB 177 „Sozialgeschichte des neuzeitlichen Bürgertums“ von 1986 bis 1997, der eine überaus große Außenwirkung entfaltete, oder der SFB „Praktiken des Vergleichens“, der 2017 anlief. Auch eine Vielzahl nationaler und internationaler Preise ging an Mitglieder der Fakultät. So erhielten die Historikerin Prof. Dr. Ute Frevert 1998, der Historiker Prof. Dr. Bernhard Jussen 2007 und der Philosoph Prof. Dr. Martin Carrier 2008 den Gottfried Wilhelm Leibniz-Preis, den wichtigsten deutschen Forschungsförderpreis.

  • Prof. Dr. Ute Frevert, Leibniz-Preisträgerin 1998.

    Fotografin: Norma Langohr
    Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld
  • Prof. Dr. Bernhard Jussen, Leibniz-Preisträger 2007.

    Fotografin: Norma Langohr
    Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld
  • Prof. Dr. Martin Carrier, Leibniz-Preisträger 2008.

    Fotografin: Norma Langohr
    Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld