13.10.1980

Zeltest du noch oder wohnst du schon?

Es hilft alles nichts: Im Oktober 1980 stellt der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) aus Protest gegen die immer stärker zunehmende Wohnungsnot der Studierenden einige Zelte in der Nähe der Studierendenwohnheime in der Morgenbreede auf. Bereits zwei Jahre zuvor hatten AStA, Studentenwerk, Universität und die Stadt Bielefeld die gemeinsame Aktion „Student(in) sucht Zimmer“ ins Leben gerufen: Handzettel und Plakate, Informationsstände und Transparente in der Bielefelder Innenstadt, Aufrufe des Oberbürgermeisters und des Rektors der Universität Bielefeld, Anzeigen und Beiträge in Presse und Funk sollten die Bielefelder Bevölkerung animieren mehr Wohnraum für Studierende bereitzustellen – wenig erfolgreich.

Zelte als Notbehelf für wohnungssuchende Studierende, vom AStA an der Morgenbreede errichtet, Oktober 1980.

Fotografin: Helga Wehmeyer
Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01104

Bielefeld war mit diesem Problem in der Bundesrepublik allerdings nicht allein. Fast ausnahmslos alle Hochschulstädte hatten Probleme mit studentischer Wohnungsnot. Während die Studierendenzahlen immer weiter stiegen, wurden die Bundesausgaben für studentischen Wohnungsbau gesenkt. In Bielefeld konnte zumindest die Westfälisch-Lippische Universitätsgesellschaft durch ihre Beteiligung am Neubau von Studierendenwohnraum am Lohmannshof die Not etwas lindern. Allerdings ist dieses Thema in Zeiten steigender Mieten gerade in Ballungsräumen immer noch hochaktuell.

Die größten Probleme bei studentischer Wohnungssuche haben sich seit den 1980er Jahre nicht geändert: Vielfach lag damals die Miete für Studierende in unerschwinglicher Höhe oder es wurden von Vermieterseite unzumutbare Forderungen aufgestellt. Die offiziellen Wohnheimplätze reichten zur Zeit der „Zeltstadt“ gerade einmal für knapp 10 % der Studierenden (1.217 Wohnheimplätze bei ca. 12.000 Studierenden). Mehr als 35 Jahre später ist diese Quote immer noch aktuell (2.447 Plätze bei ca. 24.500 Studierenden). Trotzdem hat sich die Wohnsituation für Studierende seit dem Protest des AStA mit Zelten auf dem Universitätsgelände entspannt, da mittlerweile deutlich mehr Wohnungen von Privatpersonen an Studierende vermietet werden als Anfang der 1980er Jahre.

Plakat des Studentenwerks, das Wohnraum für Studierende sucht, 1978.

Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, PL 3/184

„Keine Wohnung, kein Geld – wir leben im Zelt“
Ab dem 30. April 1992 kam es erneut zu einer „Zeltstadt“ auf dem Universitätsgelände. Auf der Wiese neben dem universitären Heizkraftwerk siedelten sich 30 Studierende, Auszubildende und Arbeitslose an. In einem Flugblatt klagte die Gruppe „Keine Wohnung, kein Geld – wir leben im Zelt“. Das Pamphlet forderte den damaligen Oberstadtdirektor Jürgen Heinrich auf, für angemessene Mengen bezahlbaren Wohnraums in Bielefeld zu sorgen. Sie schlossen mit dem altbekannten politischen Slogan „friede den hütten – krieg den palästen“. Die Zelte standen bis Ende Juli auf dem Universitätsgelände, jedoch änderte sich die Belegung komplett: In der Endphase war kein Mitglied der Initialgruppe der dezidiert politisch gemeinten Aktion mehr dabei, sondern ausschließlich andere Wohnungslose. Diese wurden im Anschluss an das Camp von der Stadt in Obdachlosenunterkünfte und Sozialwohnungen vermittelt.

Zeltstadt auf der Kraftwerkswiese vor der Universität, Mai 1992.

Fotograf: Klaus Halbe
Quelle: Universitätsarchiv Bielefeld, FOS 01133